Im Bock-Galopp durchs Tote Gebirge

70. Dialog mit dem besonnenen, gelassenen Bergschaf-Bock über ein wesentliches Leben

Ich: Lieber Bock – das waren wunderbare Tage!

Bock (strahlend): Das kannst du laut sagen!

Ich: 5 Tage, 50 km und 4.300 Höhenmeter über ein zunächst völlig karges, dann immer grüner werdendes Kalkalpen-Plateau. Kein Handyempfang, weder auf den Berghütten noch auf den Gipfeln. Eine ganze Nacht lang Hirschröhren unter glasklarem Sternenhimmel. Gemütliche Hüttenabende mit tiefgehenden und unterhaltsamen Gesprächen. Ein ganzer Tag an welchem wir nur einen einzigen Menschen getroffen haben, dafür eine große Gamsherde. Kulinarische Genüsse nach den kräfteraubenden Wanderungen. Einfach eine wunderbare Zeit. 

Bock: Am liebsten würde ich weitergehen! Ich möchte den ganzen Tag über die Berge klettern, duftende Bergkräuter knabbern und mit den Gämsen abhängen. Ich fühle mich zurückversetzt in meine Kindheit und Jugend auf Korsika.

Ich: Weißt du, ich habe ein neues Mantra für mich entdeckt während wir unterwegs waren.

Bock: Tell me! 

Ich: Ich möchte so leben, dass ich gerne lebe.

Bock (denkt kurz nach): Das klingt jetzt für mich als Bergschaf recht seltsam. Aber in eurer Welt macht das vielleicht Sinn. Für mich als Bergschaf ist es jedenfalls ganz normal, dass du deine Bedürfnisse wahrnimmst und dich danach richtest.

Ich: Nein, wir leben leider nicht so – beides machen wir nicht. Im Gegenteil: Es wird uns verlernt, dass wir gerne leben wollen. Das hat jedenfalls nicht oberste Priorität. Denn gerne zu leben beinhaltet, dass ich tun kann, was ich in mir fühle, ich meinen inneren Impulsen folgen kann, wie: 

  • Selbstfürsorge
  • kooperatives Verhalten
  • Zivilcourage
  • Mitgefühl für alle Lebewesen und ihre Lebensräume

Das steht schon sehr früh in unserer Kindheit und bis ins hohe Alter wirtschaftlicher Produktivität im neoliberalen Sinn im Weg. Es passt nicht ins Konzept. Mehr noch, es stört. 

Bock: Das macht mich tatsächlich ein wenig traurig. Es erklärt auch euer selbstzerstörerisches Verhalten, das ihr so an den Tag legt (Stichwort: Klimakrise). Wenn ich nicht bei mir sein kann, die Bedürfnisse meines eigenen Körpers nicht wahrnehme und beachte, dann kann ich auch nicht die Bedürfnisse meiner Herde auf der Kräuterwiese wahrnehmen. Dann fehlt es an eigener und gegenseitiger Unterstützung. Jede/r ist auf sich alleine gestellt. Alle fühlen sich ausgegrenzt und beginnen sich zu bekämpfen. Es gibt kein Wir-Gefühl mehr, keine Gemeinschaft, kein Eins sein.

Ich: Da magst du durchaus recht haben, mein lieber schlauer Bock!

Margaret Thatcher (1987, das Gesellschaftsbild offenlegend, das der neoliberalen Wende in der Wirtschaftspolitik zugrunde liegt): So etwas wie Gesellschaft gibt es nicht. Es gibt nur einzelne Männer und Frauen und ihre Familien, und keine Regierung kann irgendetwas tun, außer durch Menschen, und Menschen müssen sich zuerst um sich selbst kümmern. (https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-geschichte-des-neoliberalismus-100.html)

Ich: Jajaja ... ich möchte jetzt trotzdem zu meinem neuen Mantra zurück kommen: Das Wort gerne klingt irgendwie harmlos und unspektakulär. Gerne leben trifft jedoch den innersten Kern, das Wesentliche: in Kontakt mit dem innersten Selbst sein und in Resonanz mit dem Ganzen durch das Leben und die Welt gehen. Zum einen um wirklich das eigene Leben gelebt zu haben und zum anderen, um diesem eigenen Lebensweg Dankbarkeit und Wertschätzung entgegenzubringen.

Bock: Hört, hört!
 

Wie es bei mir ganz gut funktioniert & was ich selbst beitragen kann

Mit mir selbst in Kontakt bleiben bzw. immer wieder mit meinem Innersten Kontakt aufnehmen. Das ermöglicht mir erst die Wahrnehmung des Außen und die Kontaktaufnahme im Außen.

Was zu tun ist

Energiewende, Green Deal und Open Source unterstützen. 

Sich Gemeinschaften anschließen. Einander unterstützen.

Sich z.B. Energiegemeinschaften anschließen.

Literatur & Links

Artikel

Kristin Langen, 2021: Geschichte des Neoliberalismus. Ein Gespenst geht um in der Welt, Deutschlandfunk.
https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-geschichte-des-neoliberalismus-100.html

Spätestens seit der Finanzkrise ist der Neoliberalismus zum Kampfbegriff geworden, mit dem wirtschaftliche und politische Fehlentwicklungen gebrandmarkt werden. Als er in den späten 1930er-Jahren entstand, sollte er totalitären Systemen entgegenwirken.

Buch / Hörbuch

Jack Kornfield, 2008: Das weise Herz. Die universellen Prinzipien buddhistischer Psychologie, 576 Seiten, Arkana Verlag

Erstmalige Darstellung des Buddhismus als großartiges System positiver Psychologie

Jack Kornfield gehört mit dem Dalai Lama und Thich Nhat Hanh zu den ganz großen buddhistischen Lehrern

Schlägt man ein grundlegendes Buch über den Buddhismus auf, erwartet man als Erstes den Hinweis auf das allem Leben zugrunde liegende Leiden. Nicht so bei Jack Kornfield. Im Ursprung, schreibt er, liegt die Würde, die unser tiefstes Wesen ausmacht. Sie entstammt unserer Verbundenheit mit allem Lebendigen, die die Wurzel jedes wahrhaftigen Mitgefühls ist. Seine Vision des Buddhismus offenbart ein absolut positives und ermutigendes Menschenbild. Kornfield versteht den Buddhismus als großartiges psychologisches Konzept und nicht als ab- und ausgrenzende Religion. „Das weise Herz“ ist ein machtvolles Buch der Heilung und zugleich eine Laudatio auf Buddha als den größten Heiler. Es widerlegt überzeugend die Auffassung, dass über den 2500 Jahre alten Buddhismus nichts wirklich Neues und Aufregendes mehr geschrieben werden kann. 

Good practice