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Herdentier

Herdentier

52. Dialog mit dem schlauen Bergschaf-Bock

Ich (stöhnend): Oh mein Gott ... was für ein Kater! 

Bock: Welcher Kater? Wo?

Ich: Ich meine meinen gemeinen Hangover, lieber Bock – zu viel Alkohol erwischt, gestern beim Nachbarschaftsfest ...

Bock: Aha! Wie hast du den erwischt? Zufällig? Ein Unglück?

Ich: Neeein, halt getrunken. Es war lustig und nett mit den Leuten und dann, nach dem zweiten Glas Prosecco, noch lustiger und dann hab ich nicht mehr aufgepasst ... und schwupp – zu viel gewesen ...

Bock (nickt wissend): Klassisch Herdentier. So sind wir halt. Das versteh ich. Immer der Herde nach, der Mehrheit. Das ist der einfachste Weg, alles andere bedeutet extra Energieaufwand, Erklärungsbedarf, Umwege, Anders-Macher-Image, kompliziert sein ... mühsam. Herausfallen aus der Herde, ausgestoßen werden, Tod.

Ich: Na ja, lass mal die Kirche im Dorf, lieber Bock – so krass ist es jetzt auch nicht ... Oh, mein Kopf!

Bock: Evolutionsbiologisch schon – deshalb trinkst du mehr, als du willst. „Schuld“ ist neben der enthemmenden Wirkung des Alkohols das oft so genannte Kuschelhormon Oxytocin. Es trägt dazu bei, dass man zwischenmenschliche Bindungen aufbauen kann, was überlebenswichtig ist. Aber leider bewirkt es auch, dass es die Gruppe nach außen abgrenzt und die Fremden ausschließt.

Ich: Oh, mein Kopf ...

Bock (ungerührt weiterdozierend): Das heißt, es kommt darauf an, wo wir unsere Gruppe abgrenzen. Ich sehe mich ja als Welten-Bergschaf. Alle Gebirge der Erde werden von verschiedenen Bergschafen bewohnt. Sie sind alle Teil meiner Gruppe. Hausschafe find ich persönlich halt ein wenig einfältig und fad.

Ich: Oh, mein Kopf!!!!

 

Weiterführende Links:

Sehr zu empfehlen – die Wirkung von Oxytocin:
https://de.wikipedia.org/wiki/Oxytocin

Weiterführende Literatur:

Daniel Kahneman, 2016: Schnelles Denken, langsames Denken. Penguin Verlag, München

Warum ist Zögern ein überlebensnotwendiger Reflex, und warum ist es so schwer zu wissen, was uns in der Zukunft glücklich macht? Daniel Kahneman, Nobelpreisträger und einer der einflussreichsten Wissenschaftler unserer Zeit, zeigt anhand ebenso nachvollziehbarer wie verblüffender Beispiele, welchen mentalen Mustern wir folgen und wie wir uns gegen verhängnisvolle Fehlentscheidungen wappnen können.